Widerstand und Annehmen

Körperarbeit
Körperarbeit

Schwäbisch-alemannische Fasnet: Hemmungslos Da-Sein.

Lass uns den heutigen Aschermittwoch zum Anlass nehmen, um nochmal so richtig in der Fasnet zu schwelgen: Willkommen im Brauchtum! Die Fasnet (anderswo „Fasching“ bzw. „Karneval“) oder fünfte Jahreszeit entspringt der Tradition, den Winter auszutreiben und den Frühling zu begrüßen. 

Und das ist die schwäbisch-alemannische Kultur, wie ich sie als Knirps im Schwabenländle erlebt habe: Die Fasnet der Hästräger (also der Kostümierten) beginnt am Wochenende nach den Heiligen Drei Königen. Startschuss der „heißen Phase“ ist der „Schmotzige Donnerschdag“ oder „Altweiberfasnet“. Die „Lumpen-Kapellen“ blasen durch die Städte und Örtle. Jagen Schüler aus den Schulen, Bürgermeister auf die Straßen. Die Stadt bebt, das Leben brummt. Lachen, schwitzen, frieren, zwischendurch essen, schlafen (eher wenig), tanzen, frech sein … hemmungslos alles rauslassen. Donnerstag, Freitag, Samstag, Sonntag – für die Hartgesottenen ohne Unterbrechung. Gegen schleichende Erschöpfung hilft nur eins: Weiterfeiern!

Zum Glück gibt’s noch den Rosenmontag und den Fasnetsdienstag. Die Töne werden allmählich leiser, bis alles in einen tränenreichen Aschermittwoch mündet. Die Scheiterhaufen werden gerichtet, die Hexen feierlich aufgebahrt. Das Feuer lodert, helle Flammen wachsen in den Nachthimmel: Die Hexenverbrennung ist in vollem Gange. Was für ein Geschrei und Geplärr! Es fließen reichlich Tränen, die Schwermut ist kaum zu ertragen (und das sage ich aus eigener Erfahrung!). Für Außenstehende schwer nachvollziehbar, fragen sich die Liebhaber des bunten Treibens: Wie soll ich es nur bis zur nächsten Fasnet aushalten?

 

Von der Fasnet lernen: Alles ist erlaubt

In meiner Kindheit und Jugend mit der Fasnet großgeworden, hat mich dieses Brauchtum etwas sehr Wertvolles gelehrt: ALLES ist erlaubt! Und ich darf es ohne Hemmung ausleben. Schutz bieten mir Kostüm und Narrenmaske. Ich darf mich ganz frei ausprobieren. Ob schüchtern, frech, lustig, traurig, singend, stimmlos, nüchtern, betrunken, verliebt, getrennt … ich kann mich genauso zeigen, wie ich bin.

Stell dir vor, du bist eben noch in der Fasnet unterwegs gewesen: dein Häs (so heißt in der schwäbisch-alemannischen Fasnet das Kostüm) und deine Narrenmaske umhüllen dich wie ein schützender Mantel. Selbst, wenn du mit der Fasnet nichts anfangen kannst (im Nordbadischen lebend, habe auch ich mich mittlerweile von dieser Tradition entfernt), lade ich dich zu einer Übung ein: Finde heraus, wo deine Widerstände liegen und wie du lernen kannst, Dinge anzunehmen. Bist du bereit zum „närrischen Treiben“?

 

Fasnets-Übung: Widerstand und Annahme

Stell dir eine Sanduhr vor und lass all deine Themen, Probleme und Gedanken in Form von Sandkörnern durch die Sanduhr rieseln. Lass dir Zeit dabei. Aber nicht zu viel, denn der Sand in der Uhr ist endlich. Wenn alle deine Sandkörnchen-Themen durchgerieselt sind, schaust du, welches Körnchen ganz oben auf dem Sandhügel liegt.

Wie stark beschäftigt dich dieses Körnchen (Thema)? Fühlst du deinen Widerstand oder dein Nichtaktzeptieren? Sei so frei und gib diesem Körnchen einen „Widerstandspunkt“, also einen Wert zwischen 0 und 10 (10 = hoher Widerstand; 0 = völlige Annahme)

Du kannst jetzt auf den Zauber der Fasnet vertrauen und dich – geschützt von deinem Kostüm – einfach ausprobieren. Spüre deinen inneren Widerstand. Lass ihn voll und ganz zu. Spüre in ihn hinein. Nimm deinen Körper wahr. An welcher Stelle/welchen Stellen deines Körpers hat sich der Widerstand eingenistet? Verstärke ihn! Horche gut in dich hinein. 

Drücke deinen Widerstand aus. Gerne auch körperlich. Balle deine Fäuste. Leg deine ganze Kraft oder Wut hinein. Drücke deine Fäuste fest zusammen, so fest du kannst. Spüre den Widerstand mit jeder Faser deines Körpers.
Balle deine Fäuste noch stärker zusammen! Noch mehr! Noch stärker! Noch mehr? Noch mehr!
Finde auch anderen körperlichen Ausdruck für deinen inneren Widerstand.
Unterstütze ihn. Finde Worte für ihn. Leise oder laute. Du darfst den Widerstand rausflüstern oder rausbrüllen, so wie du magst.
Lass alles zu! Lass es raus!

Uffffff. Atmen. Tief ausschnaufen.
Häs und Narrenmaske richten.

 

Loslassen und annehmen

Und jetzt lass los. Öffne dich. Empfange. Erlaube dem was ist, da zu sein. So wie es ist.
An welchen Stellen deines Körpers spürst du das Annehmen? Wo ist es besonders stark? Öffne nach außen sichtbar deine Hände. Spüre auch im Inneren deine Offenheit.
Fühl dich eingeladen zu beobachten. Kannst du JA sagen?
Öffne dich und sage JA. Kannst du dein JA spüren? Öffne dich weiter, öffne deine Hände ganz weit. Nutze deinen Körper, um dein JA auszudrücken. Voller Liebe und Annahme. Ruhig noch ein bisschen mehr, ich schaue auch wirklich nicht hin 😉 (außerdem erkennt dich eh keiner in deinem Häs).

Jetzt nochmal tief atmen. Ausruhen. Die Augen schließen.

Hast du dich getraut und die Übung ausprobiert? Klasse!
Gerne darfst du nochmals beide Pole wiederholen: Widerstand und Annahme. Erlaube dir, unter dem Schutz des Kostüms deinen körperlichen Ausdruck nochmals zu verstärken. 

 

Experimentiere mit deiner Polarität

Toll, dass du dir die Freiheit für diese Erfahrung geschenkt hast. Die Fasnet hat dir die Möglichkeit gegeben, im Schutz von Häs und Narrenmaske zu experimentieren. Auszuprobieren. Extreme und Widersprüche zu erfahren. In deinen Körper hineinzuspüren.

Mit dieser gedanklich-körperlichen Erfahrung: Für welchen von beiden Polen entscheidest du dich nun bei deinem Sandkörnchen? Widerstand oder Annehmen? Haben sich die Werte deiner Widerstandspunkte verändert?

Wenn du magst, führe diese Übung gerne noch ein paar Tage fort – bis zu dreimal täglich (auch, wenn dann die Fasnet schon vorbei ist). Ich bin sehr gespannt, wie du sie erlebst und freue mich sehr über den ein oder anderen Erfahrungsbericht. Schreib einfach unten in die Kommentare oder schick mir eine E-Mail.


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