Die Welt des James Turrell

Selbstwahrnehmung
Selbstwahrnehmung

Eintauchen in Licht und Raum.

Ein Leben ohne Kunst? Unvorstellbar! Kunst inspiriert mich, öffnet mir neue Perspektiven, lässt mich schmunzeln, macht mich mal nachdenklich, mal einfach glücklich. Gerade in diesen verrückten Zeiten kann es sehr wohltuend sein, mithilfe der Kunst in ein völlig anderes Thema einzutauchen. Das Erleben der Lichtkunst von James Turrell im Rahmen der Ausstellung „The Substance of Light“ (Museum Frieder Burda Baden-Baden, Juni bis Oktober 2018) war eine beglückende Sinnes-Erfahrung, die sich nur schwer in Worte kleiden lässt. Was für ein Erlebnis! Lass dich von mir entführen auf diese besondere Wahrnehmungs-Reise und gönn dir eine kleine Auszeit.

Selbstwahrnehmung mit allen Sinnen

In den großformatigen Installationen von James Turrell findet Licht den Weg zur scheinbaren Materialisierung. Dem Künstler gelingt es, Licht sinnlich und geistig erlebbar zu machen – und der Betrachter stößt dabei an die eigenen Wahrnehmungsgrenzen. Insbesondere das Ganzfeld-Werk „Apani“, das schon auf der Kunst-Biennale von Venedig 2011 für reichlich Aufsehen sorgte, hat mich vollkommen in den Bann gezogen. Du betrittst dieses „Licht-Raum-Feld“, dessen Wände, Boden und Decken konturlos ineinander übergehen. Die Lichtflächen wechseln ihre Farben und scheinen im Raum zu schweben. Dein Blick findet keinen Halt mehr, du tauchst vollkommen ein in dieses Mikro-Universum von Raum und Licht. Die Zeit entgleitet dir, ein Gefühl der Entschleunigung stellt sich ein. Es ist eine völlig abgefahrene, ganzheitliche Sinneserfahrung, bei der du dir letztendlich selbst begegnest. Turrell bezeichnet seine Arbeiten deshalb auch sehr treffend als „Perceptual Art“, also „Kunst der Wahrnehmung“. Mit seinen Werken eschließt er sehr berührende Erfahrungs- und Wahrnehmungshorizonte. Gleichzeitig öffnet er einen neuen, direkten Zugang zur Kunst und zur eigenen Seele.

Roden Krater: Der Blick zum Himmel

Tief beeindruckt hat mich auch Turrells Lebensprojekt „Roden Crater“, das in der Baden-Badener Ausstellung mit zahlreichen Fotografien und Modellen vorgestellt wurde. In den 1970er Jahren suchte Pilot Turrell aus der Luft monatelang nach einem Gelände für eine vorwiegend unterirdische Lichtinstallation. In der Wüste von Arizona wurde er fündig: ein erloschener Vulkankrater mit ovaler Kesselstruktur, umgeben von einer riesigen Steppe. 1974 erwarb er das Gebiet und nannte es „Roden Crater“. Seitdem baut der Künstler den Krater zu einem riesigen Himmels- und Lichtobservatorium um. In seinem Inneren entstehen Himmels- und Wahrnehmungskammern, von denen die Besucher durch ein kleines Loch an der Decke beispielsweise Sonnenwenden oder die Erdbewegung beobachten können. 

Lichtkünstler James Turrell

Turrell wurde 1943 in Los Angeles geboren und widmet sein kreatives Schaffen seit über 50 Jahren der (Im-)Materialität und Wahrnehmung von Licht. Als Sohn einer Quäkerfamilie wuchs er streng religiös und mit dem Verzicht auf Strom, Auto und andere Annehmlichkeiten auf. Im Alter von 16 Jahren machte er seine Fluglizenz für Motorflugzeuge. Turrell studierte zunächst Psychologie und Mathematik in Claremont/Kalifornien; später schloss er noch ein Kunststudium in Claremont ab. Turrell lebt und arbeitet in Flagstaff/Arizona sowie in Maryland.

Was mich an James Turrell fasziniert

In den Installationen Turrells verlieren sich jegliche Konturen und Grenzen. Wer sie betritt, kann sich nicht länger auf altbekannte und erprobte Lebensgesetze stützen. Es braucht Vertrauen, sich auf diese völlig neuartige Erfahrung einzulassen, die Licht-Raum-Installationen mit allen Sinnen zu „erfahren“. Das geht sogar so weit, dass es zu körperlichen Reaktionen wie Schwindel oder Herzklopfen kommt…

Am Projekt „Roden Crater“ und anderen festinstallierten Anlagen faszinieren mich der reduzierte Einsatz von Materialien. Alles ist schlicht. Einfach. Es geht um nichts anderes als um Licht. Um den Wechsel von dunkel und hell. Und weil James Turrell das Sonnenlicht zum Hauptprotagonisten seines Werkes macht, verändert sich das Bild minütlich. Nichts bleibt, wie es war. Es ist, wie es ist. Herrlich! 

Kunst ermöglicht einen Wechsel der Perspektive und oft auch die Begegnung mit dem eigenen Selbst. Und besonders in diesen Zeiten ist die Wahrnehmung, die Schärfung unserer Sinne, ein wichtiges Element. Hast du Erfahrungen damit gemacht? Teile Sie gerne als Kommentar oder schreib mir eine Mail.

Foto: James Turrell, Accretion Disk, Museum Frieder Burda, Baden-Baden 2018 © James Turrell, Foto Florian Holzherr


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