Eine Begegnung mit Konfuzius und Lao-Tse

Philosophie im Alltag
Philosophie im Alltag

Ein Morgen mit Konfuzius und Lao-Tse.

Samstagmorgen. Sonnenstrahlen fallen ins Zimmer. Spielen glitzernd-anmutig mit der Wasseroberfläche des Sees. Ein Schwarm Schwalben ist geruhsam an diesem Februarmorgen. Labrador-Flatcoated-Hündin Blue räkelt sich genüsslich im Bett. Leichter Soul Blues erfüllt den Raum. Es duftet nach Kaffee; die Fruchtschale ist bereits vernascht.

Eine Geschichte inspiriert meinen Morgen. Die Geschichte einer Begegnung zweier Menschen. Obschon sie vor fast 2.500 Jahren spielt, hat sie auch heute noch Bestand – wenn nicht sogar mehr Gewicht als früher. 

Kung-Tse, besser bekannt als Konfuzius, suchte einst den Weisen Lao-Tse auf, um sich von diesem über Morallehren der alten Philosophen unterrichten zu lassen. Auf seine Fragen antwortet ihm Lao-Tse unter anderem mit diesen bekannten Worten:

„Die Philosophen, von denen Du sprichst, sind längst verwest, wenn auch ihre Lehren als Ausdruck ihrer Zeit uns geblieben sind. Was zu wissen ist, ist zeitlos. Wenn die Verantwortlichen ihrer Zeit gerecht werden, sind sie Führer und ein Segen für ihr Volk; wenn nicht, bleiben sie Getriebene, die Fortschritt und Vollendung der Menschen aufhalten.

Vergeblich jeder Versuch, Menschen und Völker durch äußere Reformen zu ändern. Zähme darum Deine Eitelkeit, lass fahren Dein fahrlässiges Wissen! Lass ab vom Trug der schönen Programme, die dem Volk nicht helfen! Das Volk erneuert sich aus sich selbst, wenn es frei sich selbst regiert. Der Mensch veredelt sich selbst durch sein Selbst: durch das ihm innewohnende Streben nach Selbstverwirklichung. Alles übrige ist eitel und unnütz.“ 

Erkenntnisse einer Begegnung

Kung-Tse, der den alten Weisen so aufgewühlt verlässt, dass er drei Tage lang kein Wort spricht, berichtet später seinen Schülern von dieser Begegnung: „Der Vogel fliegt, der Fisch schwimmt, das Tier läuft – jedes auf seine Weise. Nun aber gibt es Drachen, von denen niemand weiß, wie sie zum Himmel aufsteigen. Als ich Lao-Tse sprach, erkannte ich in ihm einen Drachen, der sich zu den höchsten Himmeln der Weisheit erhebt.“

In der chinesischen Mythologie ist der Drache Symbol göttlicher Weisheit. Was Lao-Tse, der Mystiker und „Drache“, dem Philosophen Kung-Tse darlegt, ist dies:

„Dein Weg ist der Weg der Menschen; mein Weg ist der des Himmels. Ihn gehen heißt zum Frieden finden und zur Vollendung.
Dein Weg entspringt der Zeitlichkeit und endet in ihr. Mein Weg führt vom Zeitlosen zum Ewigen: zur Erfüllung des Sinns des Lebens.
Dein Weg ist der Weg der Geschäftigkeit. Mein Weg ist der Weg des Nicht-Tuns, bei dem nichts ungetan bleibt: der Weg der Stille und Ruhe, aus dem das rechte Bewegtsein entspringt.“

„Erwachen kann nur gefördert werden, wo das Verlangen danach entbrannt ist“

Diese Begegnung zeigt verschiedene Wege auf. Kung-Tse (Konfuzius), von Lao-Tse berührt und zum Geheimnis der Stille erweckt, lässt seine inneren Wandlungen auch in seinen Lehren sichtbar werden. Zugleich bleibt er „an der Oberfläche haftend, das äußere Leben zu erneuern trachtend“.

Anders der Weise „Lao-Tse, der kontemplative Mystiker, (der) in die Tiefe und bis zum Kern vordringt und die Wesen sich von innen her nach ihrem eigenen Gesetz vollenden lässt. Darum weist er die Menschen zum Wesentlichen, das ewig ist, und verhilft ihnen zum einzig möglichen und nützlichen Gewinn in der Zeitlichkeit: zum Selbst-Gewinn, mit dem auch das All-Selbst gewonnen ist.“ Zugleich ist der Mystiker zeitlos. „Der Weise lebt in seiner Zeit und Welt; aber er wurzelt nicht in ihr, sondern im Ewigen.“

Auf seinem Weg hatte Lao-Tse „im Gegensatz zum Philosophen [gemeint ist Kung-Tse, also Konfuzius] (…) kein Verlangen, eine Schule zu gründen und seine Erkenntnisse zu verbreiten. Er antwortete nur, wenn er gefragt wurde, und gab denen, die ihn darum baten, von seiner Weisheit; im Übrigen aber schwieg er im Blick darauf, dass letztlich jeder selbst – vom eigenen Selbst her – zur Wirklichkeit erwachen muss und dass dieses Erwachen nicht von außen her bewirkt oder beschleunigt werden, sondern nur dort gefördert werden kann, wo das Verlangen danach bereits entbrannt ist.“

 Quelle: Lao-Tse. TAO TEH KING. Weg-Weisung zur Wirklichkeit. Drei Eichen Verlag (1990)

Eine Begegnung, vier Schätze

Ich begegne Lao-Tse in dieser Geschichte als Meister des Lebens. Es ist ein Erwachen aus dem Traum des Daseins – dahingehend, das Leben aus dem eigenen Inneren heraus zu meistern. Jeder mag selbst darüber entscheiden, inwieweit er oder sie dem Weg der Lehren Lao-Tses folgen möchte.

Für mich birgt die Geschichte der Begegnung zwischen Lao-Tse und Kung-Tse vier „Schätze“, an deren Schlichtheit sich wunderbare Lebensfragen anschmiegen:

  1. Wie beschreite ich den Weg des Lebens: Mehr im Inneren oder mehr im Außen?
  2. Wann empfinde ich inneren Frieden und Ganzheit?
  3. Wo in meinem Alltag zeigt sich „Zeitlichkeit“, wo „Ewigkeit“?
  4. Gelingt es mir, in Stille und Nichtstun zu verharren und dies als wertvoll zu betrachten?

 

Viel Freude bei einem bewegten Sinnieren wünscht dir

Deine Angela

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