Reifen im „Dazwischen“

Teamentwicklung
Teamentwicklung

Übergang: Sich dem Neuen öffnen.

Veränderungen sind in Unternehmen an der Tagesordnung. Häufig geschehen sie von heute auf morgen. Der Klassiker in der Teamentwicklung: Ein eingespieltes Team bekommt eine neue Führungskraft – und schon ändern sich Prozesse, Strukturen und Beziehungen. Andere Change-Szenarien sind schnell wachsende Teams oder eine neue Durchmischung der Team-Zusammensetzung.

Bei Führungskräfte-Coach Cornelia von Velasco* habe ich schöne, alternative Begriffe für „Veränderung“ gefunden. Sie spricht von „Übergang“*. Ihr zufolge ist das bildlich gesehen ein Gang über eine Brücke oder durch einen Korridor, um ein „Dazwischen“ zu überwinden und sich Schritt für Schritt etwas Neuem anzunähern. Von Velasco beschreibt drei Phänomene, die charakteristisch für das „Dazwischen“ sind – so individuell es auch erlebt wird.

1. Ein DAZWISCHEN bringt persönliche Verunsicherung mit sich.
2. Ein DAZWISCHEN ist ein Prozess, der lange anhält.
3. Ein DAZWISCHEN sorgt für einen anstrengenden Gefühlsmix.

Als Business Coach begleite ich Teams (und natürlich auch Einzelpersonen) durch diesen Veränderungsprozess, durch dieses DAZWISCHEN.

 

1. Umgang mit persönlicher Verunsicherung

Die gerade angesprochene persönliche Verunsicherung führt geradewegs zu einer Suche nach Identität. In meinem beruflichen Alltag begleite ich Teams in ihrer Identitätsfindung. Häufig wird in diesem Prozess allerdings das Individuum im Team übersehen: Der einzelnen Person wird kein oder zu wenig Wert beigemessen. Doch bei der Identitätsfindung im Team sollte parallel immer auch der Einzelne Raum bekommen.

Eine Erkenntnis, die für Individuum und Team relevant ist: Wandel braucht Instabilität! Das hört sich zunächst plausibel an. Wenn du magst, spüre gerne noch einmal nach, was „Wandel braucht Instabilität“ in sich birgt … Das ist nämlich eine ganze Menge: Instabilität hält uns auf dem Pfad der Suche, bringt uns auf den Weg ins Neue. Wir bleiben in Bewegung. Hinterfragen.

Und dann ist da noch der Blick von der Instabilität hin zum Gegenpol Stabilität. Mehr noch, der Schutz der Stabilität. Was für ein Ruhepol, was für eine Ressource, wenn ich im Teamprozess weiß, was bleibt. Was trägt. Auf was wir uns verlassen können: jeder Einzelne und das Team. Eigentlich so einfach, so naheliegend. Und doch wird es häufig vergessen, übergangen, klein geredet.

In Zeiten persönlicher Verunsicherung hilft es, Bewusstsein zu schaffen und vorhandene Ressourcen zu stärken. Es gilt, das Wirksamkeitserleben eines jeden Einzelnen zu fördern („Du kannst so viel bewirken!“) und den Selbstwert zu stärken. Übersetzt kann das heißen, Erfahrungen bewusst machen. Was gelingt mir gerade in dieser Welt Dazwischen – auch wenn es noch so unbedeutend erscheinen mag. Wie und wo kann ich gestalten und wirken? 

Wenn im Ergebnis der Einzelne nicht nur seinen eigenen Wert sieht und würdigt, sondern auch den persönlichen Wert innerhalb des Teams, lässt das reifen und setzt Wachstumskräfte frei. 

 

2. Ein langanhaltender Prozess

Auch wenn wir es in unserer schnelllebigen, agilen Zeit, nicht unbedingt hören wollen: Ein Übergang ist ein Reife- und Gärungsprozess. Ein langanhaltender Prozess, der seiner eigenen inneren Logik und Dynamik folgt. Er dreht Wiederholungsschleifen und nimmt unvorhergesehene Entwicklungssprünge.

Hierzu ein kleiner Exkurs: Beim Bierbrauen braucht der Sud für bestimmte Zeiträume eine entsprechende Temperatur. Ungeduldige Versuche, den Prozess zu beschleunigen, können verheerende Auswirkungen haben. Im nächsten Schritt wird die Hefe zugeführt. Auch sie ist enorm zimperlich und verzeiht so gut wie nichts. Und letztlich braucht es eine tägliche Achtsamkeit, bis das Bier Bier sein will …

Zurück zur Teamentwicklung: Wie lässt sich nun dieser langanhaltende Prozess wirksam gestalten? Um das DAZWISCHEN mit dem, was sich darin zeigt, erfahrbar zu machen, sind Rituale ungemein hilfreich. Ein solches Ritual kann sein, sich einmal im Quartal Zeit für ein Team-Coaching zu nehmen. Auch Team-Rituale außerhalb des Business-Alltags wie das gemeinsame Erleben von Sport & Bewegung sind großartig. Lasst uns zusammen joggen oder bowlen gehen! Das macht den Kopf frei und beweglich.

Rituale geben Raum, um Vieles über sich und die anderen zu erfahren: Wo stehen wir? Was braucht es gerade? Ein regelmäßiges Team-Coaching beispielsweise bietet einen geschützten Raum, in dem Gefühle von Begeisterung bis hin zu Frustration Platz bekommen. Der den Suchprozess aktiviert, die Identität stärkt, den Nebel lichtet. Oder dabei hilft, den Nebel erst einmal auszuhalten. So lässt sich eine Haltung finden, „ungelöste Fragen“ stehen zu lassen, auszuhalten, (noch) keine Antworten zu finden. Zumindest jetzt, heute. Diese Haltung der Akzeptanz führt zu einer Gelassenheit, die mir eine schlummernde Aufmerk- und Achtsamkeit gewährt, auch scheinbar Zufälliges wahrzunehmen und willkommen zu heißen.

 

3. Ein anstrengender Mix von Gefühlen

Ach, die Gefühle. Ihnen wird in der Teamentwicklung oft viel zu wenig Beachtung geschenkt. (Darüber habe ich auch in meinem letzten Blogpost zum Thema Yin und Yang im Business geschrieben.) Dabei gehören sie auf den Tisch, bitte schön. Leider erlebe ich zum Beispiel bei quartalsweisen Team-Coachings oft eine viel zu starke Ergebnisorientierung. Bahnen sich dagegen im Coaching Gefühle ihren Raum, wertet der Klient das nicht immer als Erfolg …

Dabei ist es doch so: Durch die neurowissenschaftliche Brille betrachtet, beinhalten Gefühle einen wahren biologischen Erfahrungsschatz. Sind wir mutig und trauen uns hinzuspüren, gleicht unser Körper einem Kompass. Schauen wir weg, bleibt das Rohmaterial ‚Gefühl‘ im System – allerdings ungesteuert und wenig brauchbar. Arbeiten wir im DAZWISCHEN-Prozess mit diesem Gefühls-Erfahrungsschatz des Körpers, können wir erst reflektieren und dann experimentieren. So wird aus dem Rohmaterial ‚Gefühl‘ ein wertvoller Wegweiser.

Für die Gestaltung von Übergangsprozessen ist es also äußerst vorteilhaft, diesen Schatz zu heben. Dafür braucht es den Raum, Gefühle (dosiert) zuzulassen und (vielleicht auch etwas übertrieben) auszudrücken. Dadurch werden sie uns bewusster. Verstehen wird möglich.

Befinden wir uns mitten im DAZWISCHEN-Wechselbad der Gefühle, so ist jetzt die goldene Gelegenheit, genau hinzuspüren und hinzusehen. Dann können wir das daraus entwickeln, was wir gerade brauchen. Jetzt kommt die Königsdisziplin: die vermeintlichen Gegensätze bzw. Antagonisten zuzulassen und auszuhalten. Das zu sehen und zu hören, was sich zeigen mag. Und es zu würdigen! Es geht hier nicht um Entweder/Oder, sondern um Sowohl/Als Auch. Im Dialog der Gegensätze hat jeder Pol seine Daseinsberechtigung: Angst darf ihren Platz neben der Freude einnehmen. Sie schließen sich gegenseitig nicht aus. Wer nur schwer Zugang zu seinen Gefühlen bekommt, dem mögen Techniken wie MBSR oder die Ausübung von QiGong helfen. 

 

Lachen hilft beim Loslassen

Und noch etwas will hier erwähnt sein: Loslassen geschieht in Etappen. Es ist nicht mit einem Mal getan, abgeschnitten, erledigt. Loslassen braucht Zeit, vielleicht auch Wiederholungsschleifen. Es verläuft definitiv in Phasen: zunächst das Nicht-Wahrhaben- Wollen, dann das Gefühlschaos und schließlich das Münden in ein Annehmen.

Was das DAZWISCHEN gut aushalten lässt, sind Mut, Zuversicht und Humor. Zuversicht gewinne ich gerne in einem mir wohligen und herzlichen Umfeld, in einer Atmosphäre, in der es sich gut leben und bewegen lässt. Leichtigkeit und Lachen bringen die Teamentwicklung enorm nach vorne: Manchmal ermöglichen ein Kicker-Turnier oder eine ausgelassene Feier mit humoristischen Einlagen die entscheidende Wendung hin zum Neuen.

Hast du Fragen oder Kommentare zum DAZWISCHEN in der Teamentwicklung? Nutze gerne die Kommentarfunktion oder schreib mir eine E-Mail an mail@angelamende.de

* Cornelia von Velasco: „Aufbruch ins Neue – Landkarte für Übergänge“


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