Medienvielfalt – Fluch oder Segen?
In einem Dorf aufzuwachsen so wie ich, hat einen großen Vorteil: es ist (fast) alles gut überschaubar.
Bei der Berufswahl zum Beispiel gab es eine sehr übersichtliche Auswahl: Lehrer:in, Pfarrer:in, Banker:in (entweder bei der Volksbank oder der Raiffeisenbank), Wirt:in (entweder im „Schwanen“ oder im „Rössle“) und dann noch den Postbibble (Postbot:in).
Oder die Medienwelt: ausgestattet mit einer einzigen regionalen Tageszeitung, dem Dorfblättle und drei Fernsehprogrammen. Ganz elementar wichtig: der „Latschare“. Ein „Chiacchierare“ (ein Plaudern) auf dem Dorfplatz, immer sonntags nach der Kirche. Hier erfuhr man alles, was man wissen musste. Und durchaus auch noch mehr …
Heute ist das irgendwie anders. Ausbildungsberufe scheinen im Gros bei der Berufswahl kaum noch eine echte Alternative zu sein. Bei der Studienwahl braucht es Orientierungshilfe, um die ca. 1500 Studiengänge zu überblicken, geschweige denn, deren inhaltliche Ausrichtungen und Schwerpunkte zu verstehen.
In der Welt der Medien haben die öffentlich-rechtlichen Programme zunächst mit den Privatsendern Geschwister bekommen. Anfangs noch wenige, heute unzählige. Und letztlich kam die Welt des Internets in seiner immensen Bandbreite hinzu (von sozialen Netzwerken bis hin zu Apps). Fluch oder Segen?
Medien beeinflussen das Denken & Handeln
Ich frage mich: Wie kann ich mir – gerade als Person, die in einem Dorf aufgewachsen ist – hier überhaupt noch einen Überblick verschaffen? Wer oder was gibt mir Orientierung? Wer oder was leitet meine Aufmerksamkeit? Was zeigt sich an der Oberfläche, was verbirgt sich im Hintergrund? Wie gehe ich (und unsere Gesellschaft) mit Medien(konsum) um? Wie mit Informationen generell? Wie beeinflusst das Konsumverhalten meine Selbstwirksamkeit? Wie beeinflusst es mein Denken, mein Handeln, meine Beziehungen? Lenkt die Fülle der Informationen mich von mir selbst ab?
Diese und viele weitere Fragen bewegen mich, treiben mich um, lassen mich die Auseinandersetzung suchen. Auf dieser Suche habe ich mir Einiges angeschaut und angehört. Ich habe mir Informationen auf der Zunge zergehen lassen, sie gekaut, geschluckt oder auch wieder ausgespuckt. Zunächst einmal nur für mich, dann geteilt in einem kleinen und vertrauten Kreis.
Die Vielfalt der medialen Landschaft ist enorm. Durch die erzwungene Isolation der aktuellen Zeit sind die Medien eine Art „Hauptknotenpunkt“. Und zugleich versinken die im Vordergrund tradierten Medien in Einfalt, in einer Krise. Wie ich es empfinde: Vertrauen und Glauben sind ins Wanken geraten. Ich sehe Meinungsvielfalt und -freiheit zunehmend schwinden und die großen Medien ein weitgehendes Unisono von Meinungen vertreten. Zugleich nehmen Zensur, Diffamierung und Diskriminierung zu. Sie halten Einzug in unser gesellschaftliches Leben.
Orientierung in bewegten Zeiten
Was sind hilfreiche Ressourcen in turbulenten Zeiten? Mein Wunsch: mich spüren, in mir selbst Sicherheit und Orientierung finden. In mir Vertrauen wachsen lassen. Neugierig Puzzleteile sammeln. Anschauen. Hinhören. Fühlen. Integrieren. Zusammenwachsen lassen. Auf dem Weg zu einer eigenen Meinung, zu meiner Position. Ob eindeutig oder noch in Bewegung innerhalb der Vielfalt, ob still oder laut: Ich möchte ihr Raum geben und Stimme verleihen. Damit Austausch möglich wird und gegenseitiges Verstehen. Frei von blindem Vertrauen. Frei von Forderungen der Beweispflicht. Ohne Ab:Bewertung. Ich wünsche mir Meinungen, die ihr jeweiliges (Un)Vermögen haben, die gleichberechtigt nebeneinander Bestand haben. Damit Meinungsvielfalt leben kann.
Die eine, letztendliche Wahrheit gibt es nicht. Sicher aber einzelne wichtige Puzzleteile zum besseren Verständnis. Auf der Suche nach einem ganzheitlichen Bild möchte ich aus unterschiedlichen Perspektiven hinschauen und verstehen – mich selbst und andere.
Mein neues Angebot: Medienreisen
Als Neuerung findest du auf meiner Homepage jetzt die Rubrik Medienreisen (als Unterpunkt meines Blogs). Mediale Puzzleteile als kleine, ausgewählte Landschaft für eine innere Auseinandersetzung, für eine sorgfältige Reflexion mit Abstand. Meine mediale „Empfehlungsliste“ spannt den Bogen von klassischen Büchern, Filmen und Dokumentationen über Institute und Vereine bis hin zum (unabhängigen) Journalismus. Diese „Medienreisen“ sind für mich wie Türen: Türen, die von Zeit zu Zeit immer mal wieder ergänzt oder ausgetauscht werden. Türen, die geöffnet werden können oder auch nicht. Inhalte, die mich bewegen und zum Nachdenken anregen. Die ich teilenswert finde. Natürlich bin ich nicht für den Inhalt der geteilten Links oder Tipps verantwortlich. Auch teile ich deren Standpunkte nicht immer vollständig. Und doch finde ich es lohnenswert, sich damit auseinanderzusetzen.
Den Anfang möchte ich mit drei ganz besonderen Puzzleteilen machen.
The Social Dilemma ist eine filmische Dokumentation, besetzt mit der gesamten Silicon-Valley-Riege. Einst hochrangige Manager bei Google oder Twitter, begannen sie irgendwann, ihre eigene Arbeit zu hinterfragen. Heute sind sie Aussteiger. Sie zeigen Risiken und Nebenwirkungen ihrer eigenen Kreationen auf. Achtung: Könnte zu totaler Social Media-Abstinenz führen. Link
Edward Bernays und die Wissenschaft der Meinungsmache
Der Film erzählt die Geschichte von Edward Bernays, dem Neffen von Sigmund Freud. Er machte in den 1920igern das Rauchen für Frauen in den USA salonfähig und etablierte das klassische American Breakfast. Der Film thematisiert das Steuern der Massen in demokratischen Systemen und zeigt eindrücklich, wie eine Handvoll Theoretiker der Massenpsychologie eine Methodik der Meinungsbeeinflussung entwickelten, die in weniger als 50 Jahren zu einem der wichtigsten Geschäftsfelder der aktuellen Zeit wurde: Public Relations. Link
Das Konfuzius Institut an der Freien Universität Berlin (KIFUB) ist ein gemeinnütziger Verein zur Förderung der Kenntnis der chinesischen Sprache und Kultur. Das Institut veranstaltet außerdem regelmäßige Weiterbildungen und Veranstaltungen.
Unter anderem teilte das KIFUB die ökologische Perspektive von Professor Dr. Wolfram Elsner (Universität Bremen) „Die Zeitenwende oder wie sehr China die Welt verändert: Beispiel Ökologie“. Im November stellte es die Studie „Die China-Berichterstattung in deutschen Medien im Kontext der Corona-Krise“ vor, die im Auftrag der Rosa-Luxemburg-Stiftung durchgeführt wurde. Link
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