Remote relationships

Digitale Führung und Begegnung
Digitale Führung und Begegnung

Beziehungen remote gestalten.

Digitalisierung ist einer der Mega-Trends der letzten Jahrzehnte. Digitale Kommunikation hat seit langem Einzug in unseren (Berufs-)Alltag gefunden. In manchen Bereichen eher zögerlich, in anderen in bahnbrechender Geschwindigkeit und Dimension. Ich denke dabei an die noch vor einem Jahrzehnt unvorstellbare flächendeckende, 24/7- Nutzung von Smartphones und Social Media. Digitale Kommunikation gestaltet heute einen Teil unserer Begegnungen – beim einen mehr, beim anderen weniger. 

Eine Zeit der virtuellen Kontakte

Seit diesem Frühjahr erleben wir ein neuartiges, weltweites Phänomen: Stay Home. Unser Leben spielt sich größtenteils zuhause ab – inklusive Homeoffice, Homeschooling oder gleichzeitiger Betreuung von Kleinkindern daheim. Es zwingt (nahezu) alle Menschen zu digitalem Kontakt. Seitdem hat sich der Großteil unserer menschlichen Interaktionen rapide gewandelt: von persönlichen Begegnungen hin zu Begegnungen in der virtuellen Welt.

Wie jede Transformation hat auch diese (zumal „erzwungen“) ihre Vor- und Nachteile: Manche erleben den digitalen Kontakt als anstrengend und menschlich wenig „nahrhaft“. Andere genießen die nur punktuell von digitalen Meetings unterbrochene Ruhe im Homeoffice und machen die Erfahrung, dass sie konzentrierter und effektiver arbeiten können.

Ich freue mich auf den Erfahrungsaustausch mit dir: Wie erlebst du deine virtuellen Kontakte? Wie nähren sie dich? Welche Bedürfnisse bleiben auch nach dem Meeting „ungestillt“? Wie würdest du deine Gefühle während und nach der virtuellen Begegnung beschreiben? Welche Formate nutzt du, um deine Teams zu führen, deine Mitarbeiter zu motivieren oder im Führungskreis Entscheidungen zu treffen? Gestaltest du deine virtuellen Treffen eher als Team-Konstellation oder als Eins-zu-Eins-Kontakt? 

Begegnungen erleben: Persönlich vs. remote

Eine persönliche bzw. körperliche Begegnung basiert auf einem umfassenden Erleben: Wahrnehmen, Denken, Fühlen, Riechen, Hören, Wollen, Sprechen etc. Der Ausdruck dieses Erlebens hat einen sehr körperlichen Aspekt, auf den wir bewusst und unbewusst resonieren. Wir synchronisieren oder asynchronisieren uns in der Begegnung mit unserem Gegenüber. Eine wechselseitige Beziehung gestaltet sich – wir „beziehen“ uns gegenseitig aufeinander. In Summe entstehen zum Beispiel Sicherheit oder Unsicherheit, Vertrauen oder Misstrauen, Loyalität oder Eigennutz, Kreativität oder Lustlosigkeit, Inspiration oder Langeweile. Diese emotionalen Effekte hängen vom Zusammenspiel einer Vielzahl von Faktoren ab, die in ihrer Wirksamkeit ineinandergreifen – meist geschieht das unbewusst.

Digitale Begegnungen gestalten

Eine virtuelle bzw. digitale Begegnung basiert auf einem etwas anderen Erleben und hat spezifische Wirkfaktoren. Unser Denken und Wollen unterscheiden sich auf den ersten Blick nicht von denen in einer persönlichen Begegnung: Wir verfolgen unsere (Führungs-)Ziele und bringen uns bewusst-absichtsvoll ins Meeting ein. 

Und doch ist es eine andere Art von Begegnung, die nun – zum Beispiel in einem virtuellen Teammeeting – stattfindet: Die Wahrnehmung ist zentralisiert. Der visuelle Reiz dominiert. Fokussiert den Ausschnitt „Computerscreen“. Parallel wabert das eigene Umfeld im Hintergrund. Das Hören und Zuhören stellt in virtuellen Team-Settings eine echte Hürde dar: Bei der gängigen Regel „Mikros aller Teilnehmer*innen stummschalten“ steht der/die Moderator*in bzw. die Führungskraft vor der Herausforderung, mit der totalen Stille (oder auch Resonanzlosigkeit) zu arbeiten.

Das Sprechen und andere Ausdrucksmöglichkeiten wie Lachen, Seufzen etc. sind im Prinzip uneingeschränkt möglich. Doch auch hier sind Team-Settings tückisch. Die Regel „Mikros stummschalten“ führt zu einer winzigen Zeitverzögerung, bis das Mikro wieder sprechfähig ist. Spontane Zwischentöne sind nicht möglich. Der/Die Moderator*in muss buchstäblich erst „das Wort erteilen“. Das kann dazu führen, dass ruhige Mitarbeiter*innen noch ruhiger werden und laute noch lauter – wenn nicht mit entsprechenden Methoden und Tools gegengesteuert wird.

Virtuelle Begegnung – gerade in Team-Settings – konfrontiert uns mit einem hohen Anteil an nicht überprüfbaren Projektionen. In letzter Konsequenz beziehen wir uns in virtuellen Begegnungen mehr auf uns selbst, auf unsere inneren Bilder und Projektionen. Bereits im analogen Leben gewachsene Beziehungen bieten den Vorteil, dass wir auf Erfahrungswerte zurückgreifen und diese reaktivieren können.

Was fehlt der virtuellen Begegnung?

Ob Dyaden oder Team-Meeting: Woran mangelt es eigentlich der virtuellen Begegnung? Die kinästhetische Wahrnehmung – darunter fallen das Riechen, Berühren, ein Gefühl für Atmosphäre oder für Raum und Proportion – bleibt in der digitalen Welt auf der Strecke. Die Resonanz lässt sich nicht synchronisieren. Die zeitliche Abstimmung gelingt oft schlecht, die soziale Adressierung ist – gerade in Team-Setting-Formaten – unübersichtlich. Körpersprachlich befinden wir uns in einem Art echolosen bzw. echoverzögerten Raum.

Wollten wir dies kommunikativ auffangen, würden unsere virtuellen Meetings ins Unendliche gedehnt und damit der Zeitrahmen gesprengt. Gerade im effizienzgetriebenen Business-Kontext würde sich ein solches Kommunikationsverhalten irrwitzig anfühlen. Doch die fehlende wechselseitige Resonanz nimmt uns den Sinn, wirft Fragen auf und wird damit ungemein anstrengend für uns. Kommen dann noch technische Schwierigkeiten wie verpixelte Bildübertragung oder gestörte Tonqualität dazu, wird es unerträglich.

Remote Beziehungen: Meine Lernerfahrungen

Was das Gestalten von Remote Beziehungen betrifft, habe ich – wie wohl die meisten von uns – in den letzten Wochen einen intensiven Lernprozess durchlaufen. Gerne teile ich meine wichtigsten Erkenntnisse mit dir.

1. Spiegele Beobachtetes wider und frage nach

Übernimm die Orchestrierung der virtuellen Begegnungen, indem du zu einem exzellenten Beobachter, einer exzellenten Beobachterin wirst. Lies (zum Beispiel als Führungskraft oder Moderator*in) bei Team-Settings in der Mimik und Körpersprache deiner Team-Mitglieder. Sei sensibel für Störgefühle: Nimm dir die Zeit, nachzufragen und auch vermeintliche Kleinigkeiten oder Nebenschauplätze anzusprechen. Verbalisiere, was du beobachtet hast und hole gezielt Resonanz dazu ein.

2. Sprich Gefühle explizit und mit Ruhe an 

Schaffe in Team-Settings einen klaren Rahmen (zum Beispiel als Einstieg oder Abschluss), um alle Teammitglieder individuell abzuholen. Frage explizit nach: Wie geht es dir? Was hast du in der vergangenen Woche erlebt/geschafft/worüber hast du dich gefreut/was hat nicht geklappt? Im digitalen Raum besteht deine Führungsaufgabe vor allem darin, viel profunder auf die Bindung- bzw. Beziehungsebene einzugehen als im Präsenzformat. Sei auch empfänglich für individuelle Typen und Stimmungen. Die Zeit für Beziehungsthemen ist bestens investiert – und die Sachthemen sind am Screen meist schneller erledigt als im Präsenz-Meeting. 

Zum Schluss noch drei konkrete Tipps aus meiner Erfahrung: 

1. Gehe in den 1:1-Kontakt: Team-Settings ersetzen nicht den individuellen Austausch. Suche den 1:1-Kontakt, zum Beispiel wenn du im virtuellen Team-Meeting eine Irritation bei einem deiner Teammitglieder erspürt hast. Ich zum Beispiel greife in dem Fall unheimlich gerne zum guten, alten Telefon. Das entlastet zur Abwechslung mal den virtuellen Reiz und fokussiert meinen Hörsinn und mein Gefühl für Stimmungen.

2. Organisiere virtuelle Get-togethers: In Zeiten des Homeoffice entfallen analoge „Zufallsbegegnungen“ in der Kaffeeküche oder auf dem Flur. Das menschliche Kommunikationsnetz individueller Emotionen und Erlebnisse wird löchrig und weniger tragfähig. Mit einem virtuellen Kaffeeplausch oder Feierabendbierchen kannst du dem entgegenwirken. Hier geht es wirklich ums Teilen von persönlichen Erlebnissen…

3. Setze Methoden & Tools gezielt ein: Je virtuoser du die Klaviatur der digitalen Tools & Methoden der einzelnen Provider virtueller Meeting-Rooms kennst, desto besser. So kannst du gezielt führen und Kommunikationsprozesse derart orchestrieren, dass ein funktionierendes Beziehungsgeflecht wachsen und gedeihen kann – auch digital.

Wie ich es erlebe und wo ich stehe. Und du?

Viele und vor allem lange digitale Meeting, gerade auch in Teams, strengen mich trotz virtuosem Tool- und Methodeneinsatz an, ermüden mich. Und am Ende erlebe ich sie nicht so „nährend“ wie den persönlichen Kontakt. Dennoch ist es gut, durch die äußeren Umstände quasi „ins kalte Wasser“ geworfen zu sein. Denn auch wenn aus meiner Sicht die Tools Stand heute noch nicht an den persönlichen Kontakt der analogen Beziehungsgestaltung heranreichen, finden sich durchaus Elemente, dank derer digitale Begegnung hilfreich, sinnvoll und von Nutzen sein kann. Ich sehe im digitalen Austausch also derzeit eine wunderbare Ergänzung und willkommene Brücke zur Freiheit. Ich bin gespannt, welche Mischformen der Kommunikation in Zukunft entstehen und gelebt werden. Ich freue mich darauf, immer flexibler zwischen analogen und digitalen Welten zu switchen.

Und du? Welche Erfahrungen hast du mit virtueller Begegnung und Führung gemacht? Spüre gerne mal in dich hinein: Wie empfindest du deine „Remote Beziehungen“? Wie erlebst du die virtuelle Kommunikation, vor allem in Team-Settings? Wie geht es dir damit? Was fehlt dir, macht dich vielleicht ratlos oder frustriert? Welche Aspekte empfindest du als Bereicherung? Wo erkennst du spezifische Herausforderungen? Wie siehst du die Zukunft der Beziehungsgestaltung?

Ich bin wirklich total gespannt, mit dir in den Austausch zu gehen – schließlich gestalten wir mit diesem Thema zusammen ein Stück Zukunft. Teile deine Erfahrungen gerne unten in den Kommentaren oder schreib mir eine Mail. Vielen Dank!


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